"Um bei Rapid zu arbeiten, muss man die Fans verstehen"

Andy Marek: Dietmar, du könntest als VIP-Fan und wichtiger Partner unseres Vereins im Stadion der Loge sitzen und dich bequem zurücklehnen – ich habe dich aber als Menschen erlebt, der sich gern unter die Rapid-Anhänger mischt. Was bedeutet der SK Rapid für dich?
Dietmar Hoscher: Bereits als Kind wurde ich mit dem Rapid-Virus infiziert, ich habe nicht weit von der Pfarrwiese entfernt in Hietzing gewohnt. Da bin ich dann schon in jungen Jahren immer zu Fuß – oder später auch Stadtbahn – zum Stadion gekommen. Via Pfarrwiese und ebendieser Stadtbahn wurde ich ein Teil des Hütteldorfer Geschehenes, ich war begeisterter Rapid-Anhänger – und bin es bis heute mit derselben Leidenschaft geblieben.
Was man ja auch an deinem Büro schön sieht….In Hoschers Großraumbüro bei den Casinos Austria findet man überall Verweise zu Rapid: Schals hängen in jeder Ecke auf Kleiderständern oder kleinen Statuen, Mannschaftsposter aus unterschiedlichen Saisonen zieren Wände und Decken. Sogar zum Interview trägt er einen Rapid-Schal – „nicht, weil’s für das Gespräch einen schönen Eindruck vermittelt, sondern weil ich Grün-Weiß gern um mich habe“.
Ich verheimliche meine Liebe zu Rapid nicht, auch nicht in meinem Geschäftsleben. Wenn du bei mir zuhause anläutest und ich komme an die Türe, wirst du mich meistens in einem Rapid-Leiberl antreffen (lacht). Neben meiner physischen Familie, die sehr wichtig ist, gibt es halt noch eine zweite für mich, und das ist Rapid!
Warum bedeutet dir Rapid so viel?
Weil ich mit dem Verein aufgewachsen bin. Und das Ganze ist auch ein emotionaler Faktor, der mir hilft, das Leben zu bewerkstelligen. Das brauchst du im Management, einen Anker wie Rapid, um abzuschalten – auch wenn ich nach Niederlagen oft tagelang leide und gereizt bin. In St. Hanappi schaffe ich es, wieder in meine Rolle als damals unbekümmerter Rapid-Fan zu schlüpfen, mit derselben Euphorie.
Hattest du schon Nachteile durch deine Verbundenheit?
In der Politik und Wirtschaft nicht, in der Bundesliga schon. Die letzte Wahl zum Bundesliga-Präsident, wo ich ja auch angetreten bin, war eine Intrige, ein abgekartetes Spiel. Ich wurde nicht zum Präsident nicht gewählt, sondern bin erst gar nicht angetreten. Da gab es persönliche Angriffe gegen meine Person, weil ich Sozialdemokrat bin und Rapidler. Für manche war ich darum nicht wählbar, das war schon sehr tief, muss ich sagen.
Dafür bist du als Vorsitzender unseres Kuratoriums umso wichtiger. Für unsere Fans: Was machst du da genau?
Das Rapid-Kuratorium ist ein Beratungsgremium für wirtschaftliche und sportlichen Belange, welches sich regelmäßig trifft. Es ist zusammengesetzt aus Wirtschaftsvertretern, übrigens alle Rapid-Anhänger, dadurch entsteht ein konstruktives Diskutieren und Planen über die langfristige Zukunft unseres Vereins. Das war immer schon mein Ziel, hier aktiv eine gestaltende, führende Rolle einzunehmen.
Es ist jetzt deine zweite Amts-Periode. Was konntest du bewirken?
Nun, es gibt jetzt ganz offene Aussprachen, wir kommen sehr häufig zusammen. Wir haben eine beratende Funktion für das Präsidium. Es gibt Workshops, Treffen mit Fangruppen, um sich so auszutauschen. Um bei und für Rapid zu arbeiten, muss man auch verstehen, wie unsere Anhänger denken. Das wiederum führt zu regen Gesprächen mit Sponsoren, die schließlich ihrerseits wieder rechtfertigen müssen, warum sie Geld in den Verein investieren. Durch diese Aufklärung und Vernetztheit entsteht eine Verbundenheit, durch die wir alle gemeinsam eine wichtige Nachhaltigkeit für Rapid schaffen.
Das ist ein gutes Stichwort: Auf der Nordtribüne errichtet tipp3 jetzt eine spezielle, kleine Tribüne, die den Ansprüchen von Rollstuhlfahrern gerecht wird.
Ja, wir wollen aus unserer Philosophie heraus immer die Fans unterstützen - sei es über diverse Veranstaltungen wie das Fanklubturnier oder das Rapid-Dorf. Unsere erste Finanzierung war übrigens das Bereitstellen von Fanbussen, welche die Rapid-Fans 2002 zu einem Testspiel brachten -nach Eisenstadt gegen Arsenal London. Am nächsten Tag hat mich der damalige Aufsichtsrat gefragt, ob das notwendig war (lacht). Aber sonst haben wir eigentlich nur positive Erfahrungen gemacht. Wenn wir Menschen mit besonderen Bedürfnissen so unterstützen können, machen wir das gerne, wie auch bei Bundesliga on Ear, wo blinde oder sehschwache Leute das gesamte Spiel in St. Hanappi via Radioübertragung mitverfolgen können.
Du bist zudem Präsident des Legendenclubs des SK Rapid. Eine emotionale Angelegenheit?
Sehr, das ist mir ein persönliches Anliegen. Du siehst die Leute, welche du als Kind angehimmelt hast und kriegst eine Gänsehaut. Treffen mit den Rapid-Legenden führen außerdem meist zu Zwerchfellreizungen (lacht). Aber: Wenn man Rapid als Familie versteht, gehören nun auch einmal die schon etwas älteren Herrschaften dazu, die bereits ihren Weg gegangen sind und die einem viel mitgeben können. Darum ist es wichtig, auch zu verdienstvollen, ehemaligen Spielern weiter ein Naheverhältnis zu pflegen und sie als wichtigen Teil unserer Geschichte zu betrachten.
Wer war oder ist dein persönliches Rapid-Vorbild?
Das ist gar keine Frage in meinem Alter: Hans Krankl. Ich habe von einem befreundeten Buchhändler ein signiertes Krankl-Porträt vom Künstler Gottfried Helnwein bekommen. Das begleitet mich schon lange, überall, wo ich hinging, hängte ich es mir in meine Räume. Aber auch Fjörtoft oder Panenka waren wichtige Spieler, welche ich bewunderte.
Du bist selbst großer Musikfan, was liegt dir näher, Musik oder Fußball?
Zuerst die Musik, ich spiele Gitarre, liebe Blues und Rock und kann mich als einen der umfangreichsten The Who-Sammler in Mitteleuropa bezeichnen. In Kürze stelle ich eine Biografie des holländischen Musikers Hans Theessink vor.
Zum Thema Stadionfrage – wie entwickelt sich hier Rapid?
Da ist bei uns sehr viel wirtschaftliche Kompetenz dahinter mit Erfahrungen aus der Bauträger- und Finanzierungsbranche. Wir können das Präsidium unterstützen, in Alternativen zu denken. Aber das nächste große Thema, wo wir expertisenmäßig involviert sind, ist die Akademie. Generell ist es aber spannend, die Diskussionen zu beobachten. Als wir von der Pfarrwiese ins Gerhard Hanappi-Stadion umgezogen sind, gab es zuerst auch Bedenken: Ein Stadion mit Sitzplätzen – nein, danke! So ändern sich die Zeiten.
Was sagst du zur sportlichen Situation?
Man darf die Erfolge in der Vergangenheit nicht vergessen, da ist uns in den letzten zehn Jahren viel gelungen, sei es über Meistertitel bis hin zu den europäischen Auftritten in Champions League oder in der Europa League, das war auch ein Erfolg unseres Präsidenten und anderen Entscheidungsträgern. Aktuell kann es nicht so zufriedenstellend sein. Aber: Es gibt keinen Verein oder kein Unternehmen, welchem es permanent gut geht. Es ist eine schwierige Situation, wir waren aber schon weiter am Boden. Wichtig ist, dass auch in schlechten Zeiten jemand da ist, und den anderen auffangen kann – in diesem Fall sind es einmal mehr unsere Fans.
(gub)