Interview mit Robert Pecl
"Die Medien haben meine Ausschlüsse provoziert"
Robert Pecl ist eine Rapid-Legende, wie sie im Buche steht. Am 15. November 1965 wurde er geboren, am 05. Juni 1995 musste der Skorpion bereits seinen Stachel einziehen und seine Karriere verletzungsbedingt beenden. Zu Beginn seiner Laufbahn stemmte der "Eisenfuß" einen Meisterteller in die Höhe, an deren Ende den Pokal für den Cupsieg. Dazwischen lagen ein weiterer Meistertitel und ein Cup-Erfolg, viele Verletzungen, wirtschaftliche Krisen im Verein, Weltklasseleistungen und ganz, ganz viel Karton. Rund 80 gelbe und zehn rote Karten, die er im Laufe seiner Vereinskarriere vor die Nase gehalten bekommen hat, machten ihn zum "Roten Robert". Im Gegensatz zu den Referees genoss der Verteidiger beim Publikum und seinen Teamkollegen eine hohe Popularität - zweimal wurde er zum "Fußballer des Jahres" gewählt, von 1992 bis 95 war er Kapitän des SCR. Als der 31fache Teamspieler Robert Pecl seine aktive Zeit als Kicker nach insgesamt sieben Knie-Operationen beenden musste, meinte Rapids damaliger Klubarzt Dr. Lugscheider, dass Pecl die "größte Tragödie Hütteldorfs" sei. Aus heutiger Sicht auch eines der größten Wunder...
Als ich beim einstigen Raubein um einen Interview-Termin anfrage, ist er nett
und zuvorkommend. Bereits zwei Tage nach der ersten Kontaktaufnahme sitze ich
bei Robert Pecl im Büro. Der Ex-Kicker ist Chef in der Wiener Niederlassung der
Werbeartikel-Firma PF Concept. Am Ende einer Halle, in der die
beeindruckende Palette des Firmen-Angebots ausgestellt wird, setzen wir uns zu
Tisch, um in aller Ruhe über die Schwerpunkte von Roberts erfolgreicher Karriere
zu sprechen. Das Du-Wort bekomme ich ebenso schnell angeboten, wie ein Getränk.
Es ist eine gemütliche Atmosphäre, in der wir über die Pecl'sche Laufbahn
sprechen. Bei zwei Zigaretten gibt mir der einstige Abwehrchef bereitwillig
Auskunft. Und ich laufe nie auch nur im entferntesten Gefahr, von ihm aus den
Büro-Räumlichkeiten getackelt zu werden.
Privat. Ich bin auch Mitglied im Legendenklub, der von „Funki" Feurer vor ein paar Jahren ins Leben gerufen worden ist. Eine Wahnsinns-Einrichtung! Ich weiß nicht, ob es das in Österreich noch einmal gibt. Jedenfalls profitieren nicht nur wir Rapid-Legenden davon, sondern die ganze Rapid-Familie.
Was für ein Spiel erwarten Sie für heute abend?
Einerseits ein schweres Match, weil ZSKA wahrscheinlich tiefer stehen wird als in Sofia. Aber ich erwarte mir von der Mannschaft, dass sie gewinnt und die Chance auf den Aufstieg am Leben hält. Aber es wird sicher nicht leicht.
War der Abgang von der Admira schmerzhaft?
Wir waren bis 13
Minuten vor Ende der letzten Saison Meister. Dann hat Schreter im Paschinger
Waldstadion zweimal getroffen. Es war eine äußerst knappe Geschichte. Wie sehr
das schmerzt, kann man sich ungefähr vorstellen. Die Zeit bei der Admira war
sehr lehrreich für mich, weil ich nicht als Spieler oder Trainer, sondern als
Sportlicher Leiter dort tätig war. Ich glaube schon, dass mir einiges gelungen
ist! Friesenbichler und Sabitzer habe ich beispielsweise zum Verein geholt.
Kühbauer, von dem ich sehr überzeugt war, auch. Der Verein kann mit den Sachen,
die ich dort die letzten zwei Jahre gemacht habe, heute sehr gut leben! Die
Trennung war ja auch eine Folge der wirtschaftlichen Lage, da die Firma
Trenkwalder durch die Krise auch in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
Den Sportlichen Leiter wollte oder konnte man sich nicht mehr leisten. Übrig
bleibt, dass ich meinen Teil zum momentanen Erfolgslauf von Didi Kühbauer
beigetragen habe.
Hat er das Zeug, sich als gefragter
Profi-Trainer zu etablieren?
Der Anfang war ja mehr als großartig!
18 Siege und 2 Unentschieden in 20 Spielen, so etwas hat es das letzte Mal bei
der Rapid in den Achtziger-Jahren unter Otto Baric gegeben. Als Trainer braucht
man aber auch Glück, nicht nur Können. Die Klubwahl ist auch ein ganz
entscheidender Faktor. Didi hat es gut erwischt. Ein paar der Spieler, die er
bei den Amateuren ausgebildet hat, spielen jetzt schon in der Kampfmannschaft.
Gemeinsam mit dem Stamm des letztjährigen Teams ergibt das eine gute Mischung.
Mit Altach gibt es nur einen wirklichen Gegner, aber die Admira hat den besseren
Kader. Natürlich drücke ich Didi und dem Verein die Daumen, dass sie den
Aufstieg schaffen. Und damit meine Arbeit vollenden!
(lacht)
Für welche Vereine bzw. welche Tätigkeit stehen
Sie prinzipiell zur Verfügung?
Spezielle Vereine will ich gar nicht
nennen. Aber in den nächsten Jahren werden nur mehr ausgewählte Engagements für
mich in Frage kommen. Ich bin für alles offen, aber der Reiz muss vorhanden
sein! Und die Vertrauensbasis, dass man mit mir plant…
Wie sind
Sie als Kind zum Fußball gekommen?
(lacht) Der ist
eigentlich viel mehr zu mir gekommen! Seit ich gehen kann, bin ich einem Fußball
hinterhergelaufen. Für mich hat es nur das und Skifahren im Winter gegeben. Seit
ich denken kann, hat der Fußball mein Leben bestimmt. Ich bin dann von Pöls nach
Judenburg in die Obersteiermark gegangen.
Hat Ihr Herz damals für
Sturm geschlagen?
Gar nicht! Ich komme aus einer Region der
Steiermark, wo es sehr viele Rapid-Fans gibt. Ausgelöst durch die großartigen
Spiele in den Sechziger-Jahren, wo keine andere Mannschaft so oft im Fernsehen
zu sehen war. Egal, ob Bjerregaard, Glechner, Flögel oder Skocik – das waren
alles Namen, die man sich gemerkt und denen man nachgeeifert hat. Die Leistungen
dieser Spieler wollte ich erreichen. Und Rapid war für mich schon immer die
Mannschaft in Österreich!
Wie sind Sie letztlich von Sturm
entdeckt worden?
Das ist eine ganz eigenartige Geschichte! Ich bin
sechs Jahre ins Gymnasium gegangen, habe abgebrochen und danach eine
Buchdrucker-Lehre begonnen. Ich bin damals wöchentlich in die Berufsschule nach
Graz gefahren. Mein Lehrer war im Vorstand von Sturm und hat eine
Buchdrucker-Mannschaft zusammengestellt. (lacht) Und aus dieser
Mannschaft ist der Heri Weber herausgekommen. Wir haben ein U-20-Spiel gegen
Sturm organisiert bekommen und ich habe beim 3:5 alle drei Tore geschossen! Das
hat Karl Schlechta, ein Wiener, der damals Sturm trainiert hat, gesehen. Das
war’s! Er hat gesagt – „den Burschen will ich haben". Ich bin von Judenburg nach
Graz gezogen und habe vier Monate später in der Kampfmannschaft debütiert.
Unglaublich! Mein Ziel war es immer, Fußball-Profi zu werden. Aber mit 18 Jahren
habe ich nicht mehr richtig daran geglaubt. Die ganzen Fußballcamps und andere
Einrichtungen zur Sichtung und Förderung von Talenten – das hat es damals ja
alles nicht gegeben.
Kurz nach Ihrem Debüt schossen Sie am 09.
April 1974 gegen Rapid das Goldtor, damals noch als offensiver
Mittelfeld-Spieler. Wie sehr hat diese Prägung Ihre spätere Tor-Gefährlichkeit
beeinflusst?
Ich war sogar Mittelstürmer! Damals bei meinen drei
Toren gegen die U20 und auch danach bei Sturm. Gegen Rapid habe ich zum ersten
Mal von Beginn weg gespielt und gleich das entscheidende Kopfballtor gemacht!
Aber meine Vergangenheit als Angreifer hat meine Arbeit als Verteidiger nicht
nur in puncto Torgefährlichkeit beeinflusst. Ich konnte dadurch auch besser
antizipieren. Die Sachen, die mein Gegenüber machen wollte, habe ich quasi in
mir drin gehabt, ich konnte Situationen sehr gut vorausahnen. Meine
Reaktionszeit war einfach sehr gut. Und vorne war ich sowieso in meinem Element!
Es hat nicht allen gepasst, dass ich so oft in die Spitze gegangen bin, aber im
Training war ich diesbezüglich nicht zu halten. (lacht) Manche sagen
noch heute, dass mein Spiel zu offensiv war!
Nach der WM in
Argentinien, bei der Sie zu drei Kurz-Einsätzen in den Vorrunden-Spielen kamen,
wechselten Sie als 23Jähriger zu Rapid. Wie enttäuscht waren Sie, als bald nach
Ihrer Ankunft in Hütteldorf verjüngt und verbilligt werden musste und Ihr
ehemaliger Sturm-Trainer, Karl Schlechta, das Opfer von Intrigen
wurde?
Es war eine schwierige Zeit damals. Ich bin von einem Klub
mit sehr viel Nestwärme gekommen, habe von Pichler oder Jurtin gelernt. Bei
Rapid haben die Leute mehr auf sich selbst geschaut. Mit Hans Krankl hatte
gerade das große Idol den Klub Richtung Barcelona verlassen. Das hat das
Unterfangen von Haus aus erschwert. Wir waren nicht schlecht, haben immer oben
mitgespielt. Aber es war weniger, als man bei Rapid fordert. Und das war
wiederum mehr, als man in dieser Situation verlangen konnte.
Der Abschied von
Karl Schlechta tut mir im Nachhinein noch sehr leid. Das passierte alles aus
Gründen, die ich heute noch nicht nachvollziehen kann. Andererseits war die
damalige Verjüngung, war der Neuaufbau für den Verein Goldes wert. Weil sich aus
dieser jungen Mannschaft einige sehr gute Spieler herausgebildet haben. Ich
denke da an Kienast, Keglevits, Garger, Willfurth oder Pregesbauer. Damals wurde
der Stamm der erfolgreichen Mannschaft der Achtziger-Jahre geformt. Für Feurer,
Persidis, Krejcirik und mich war es eine große Herausforderung, der Truppe
Stabilität zu geben. Wir waren damals nicht weit davon entfernt,
abstiegsgefährdet zu sein. Mich hat es sehr geprägt, schon in so jungen Jahren
eine derart große Verantwortung zu tragen. Ich musste mich einfach noch mehr
einbringen, um mit der Mannschaft Erfolg zu haben.
Waren Sie
eigentlich damit einverstanden, als Sie zum Persidis-Nachfolger als Libero
umfunktioniert wurden?
Sehr! Abgesehen davon, dass ich auch gerne
Stürmer gespielt habe, war immer schon Libero meine Lieblingsposition. Ich
könnte mir auch heute gut vorstellen, Innenverteidiger zu spielen. Als Libero
hatte ich allerdings immer die Freiheit, mit nach vorne zu gehen. Meine
Schnelligkeit hat hinten viele Angriffe des Gegners im Keim erstickt. Mit
Lochpasses hat man damals gegen Rapid jedenfalls wenig Erfolg gehabt.
(lacht) Lainer, Krauss, Garger, Pregesbauer, Brauneder, ich – wir waren
damals schon eine verdammt gute Verteidigung!
Als dann Hans Krankl und
Antonin Panenka zur Mannschaft stießen, konnten sich die jungen Spieler im
Schatten dieser Routiniers voll entfalten. Der Druck, den diese großen Namen auf
sich zogen, machte das optimale Heranreifen der Talente erst
möglich.
Als Hans Krankl zu Rapid zurückkehrte, löste er Sie als
Kapitän ab. Kurz darauf wurden Sie zum Ehren-Kapitän ernannt. War das eine Art
Wiedergutmachung, ein Zuckerl zum Weiterverbleib in Hütteldorf, oder einfach nur
ein einzigartiger Moment für einen besonderen Spieler?
Damals habe
ich es nicht so richtig verstanden, immerhin war ich schon drei, vier Jahre bei
Rapid. Die Wertigkeit dieser Auszeichnung, die mir das Präsidium
entgegengebracht hat, war mir nicht bewusst. Heute bin ich sehr stolz darauf,
gerade, weil ich ein Steirer bin! Ich bin schon oft nach dem Warum für diese
Ehrung gefragt worden. Ich glaube, dass sich in meinem Fall alles in einer
Person vermischt hat, was einen Rapid-Spieler ausmacht. Der Einsatz, die
Kampfstärke, die Bereitschaft, alles für die Mannschaft zu geben, das
Spielerische – ich habe viele Dinge in mir vereint, die für den Klub typisch
sind. Insofern bin ich sehr glücklich darüber, der einzige Ehren-Kapitän Rapids
zu sein!
Sie galten nicht als Diplomat – immer wieder soll es zu
atmosphärischen Störungen mit Hans Krankl und Funktionären gekommen
sein.
Das stimmt auch. Ein Stürmer wie der Hans wurde immer an
seinen Toren gemessen. Und so hat er geschaut, dass er zu möglichst vielen
Torchancen kommt. Für mich war immer der gesamte Erfolg das Wesentliche. Mich
hat es nicht glücklich gemacht, wenn wir 2:3 verloren haben und der Hans hat
zwei Tore geschossen. Mir war ein 2:0 mit x-beliebigen Torschützen viel lieber!
Vor seiner Zeit in Barcelona hat der Torschützenkönig dreimal Hans Krankl
geheißen, Rapid war aber nie Meister. Nach seiner Rückkehr war er es „nur"
einmal, aber wir sind von Erfolg zu Erfolg geeilt. Weil wir andere Top-Stürmer
wie Kranjcar, Pacult oder Keglevits gehabt haben. Die Aufgabe des Toreschießens
hat sich auf ganz viele Schultern verteilt. In den Siebzigern war es so, dass
Rapid zumeist verloren hat, wenn Hans Krankl nicht getroffen hat. Das war in den
Achtzigern nicht mehr so.
Gab es bei Rapid damals vielleicht
sogar zu viele Stars, Alpha-Tiere und Anführer?
Wir waren keine
einfachen Typen und es hat mit Sicherheit genügend Streitereien gegeben. Aber
letztlich – und das war das Wesentliche – waren wir uns gegenseitig enorm
behilflich. Wenn ich gefoult worden bin, war Hans der Erste, der da war. Und
wenn der Hans gefoult worden ist, war es umgekehrt. Wir waren vielleicht nicht
die besten Freunde, aber auf dem Platz waren wir 100%ige Profis. Diese Reibung,
Aggressivität und Polarisierung, die da waren, haben uns wahrscheinlich dazu
getrieben, dem anderen zu beweisen, wie gut man ist. (lacht) Oder, dass
man der Bessere ist, von mir aus…
Ich habe vor Jahren einmal mit Säumel,
Salmutter und Ertl ein Gespräch in Graz gehabt. Sie haben mir erzählt, dass sie
sich wegen ihrer jahrelangen Freundschaft in Krisenzeiten nicht gegenseitig
kritisieren können. Das erschwert natürlich die Bewältigung einer Krise. Bei uns
war das Ausleben der Reibungspunkte ganz wichtig, weil es die notwendige Emotion
und Aggressivität gebracht hat. Apathie oder Lethargie konnten da nie
aufkommen.
Wie haben Sie das „Meisterschafts-Finalspiel" 1982
gegen Wacker Innsbruck miterlebt, als 25.000 Menschen im Hanappi Stadion waren
und Rapid erstmals nach 14 Jahren Meister wurde?
Ich kann mich noch
ganz genau an dieses Spiel erinnern. Es war ein überragendes Match von uns mit
Traumtoren! Die Leistung war sensationell und die Stimmung sowieso. Die Fans
waren nach der langen Durststrecke richtig ausgehungert, und so gesehen war es
doppelt schön, ihnen den Meistertitel schenken zu können. Manchmal braucht es in
Zeiten des Misserfolgs Geduld, um danach wieder erfolgreich sein zu
können.
Sie waren 1982 Meister, schieden im UEFA Cup erst im
Viertelfinale gegen Real Madrid aus. 1983 folgte das Double und im Europacup der
Landesmeister der Einzug ins Achtelfinale. Und 1984 gewann Rapid den Cup und
scheiterte in der Meisterschaft nur an der Tor-Differenz. Im EC der
Landesmeister ging es sogar bis ins Viertelfinale. Der überragende Erfolg im
Pokalsieger-Bewerb 1985 kündigte sich über die Jahre hinweg an,
oder?
Ich bin im Nachhinein noch immer enttäuscht, dass wir den
Europacup nicht gewonnen haben. Die Qualität der Mannschaft war enorm, aber
nicht nur in der Europacup-Saison 1984/85, sondern viele Jahre hindurch. Wir
haben uns nicht vor sehr vielen Mannschaften in Europa fürchten müssen. Nicht
vor dem Läuferischen, nicht vor dem Kämpferischen, und schon gar nicht vor dem
Spielerischen!
Im Finale 1985 hatte ich das Gefühl, dass viele Spieler schon
mit dem Erreichen des Endspiels zufrieden waren. Zudem ist uns mit Panenka,
Willfurth und Brucic fast das gesamte Mittelfeld ausgefallen. Wir hätten
gewinnen können! Aber der Ehrgeiz war bei einigen wahrscheinlich zu gering, und
die Tore, die wir bekommen haben, waren blöd.
Mit Rapid hatten
Sie elf internationale Auswärts-Spiele mit 30.000 oder mehr Zuschauern.
Herausragend war das Duell mit Dynamo Kiew im EC der Cupsieger 1986, als Sie vor
104.000 Fans antreten durften. Hatte die klare 1:5-Niederlage mit dieser
gigantischen Kulisse zu tun?
Überhaupt nicht! Wir haben ja vor
qualitativ viel hochwertigeren Fan-Massen bestehen können. In Russland war die
Atmosphäre außerdem nicht so großartig, dass sie uns eingeschüchtert hätte. Aber
der berühmte Trainer Walerij Lobanowskyj war damals nicht nur Trainer von Kiew,
sondern auch des Nationalteams der UdSSR – beide Mannschaften waren praktisch
ident! Bei Dynamo Kiew haben damals die besten Kicker der gesamten Sowjetunion
gespielt. Kusnetsow, Demjanenko, Bessonow, Belanow, Rats, Blochin – das waren
alle Stars, die 1986 den Europacup gewonnen haben, nachdem sie uns rausgeworfen
hatten, und großteils beim Vize-Europameister-Team von 1988 dabei waren. Beim
Hinspiel im Hanappi-Stadion haben wir zweimal an die Stange geschossen und
letztlich mit 1:4 verloren (Anm.: vier Tore innerhalb von 17 Minuten).
In Kiew haben wir eigentlich auch gut gespielt. Ein Tor war aber symptomatisch
für unsere unglücklichen Auftritte. (lacht) Brauneder wollte den Ball
wegschießen und hat dabei den Michi Konsel am Kopf getroffen – Eigentor! Wir
sind mit dem Gesamtscore von 2:9 ausgeschieden. Das klingt aber viel wilder, als
es war! Wer die Spiele gesehen hat, der weiß, dass wir einerseits viel Pech
hatten und andererseits gegen die damals vielleicht beste Vereinsmannschaft
Europas antreten mussten.
Nach zwei weiteren Meistertiteln und
einem vierten Platz verließen Sie Rapid und gingen als aktueller Rapid-Kapitän
nach Salzburg. Was waren die ausschlaggebenden Gründe? Auch ein wenig, dass Hans
Krankl als neuer Trainer kam?
(lacht) Nein! Ich hatte
damals einfach das Gefühl, dass meine Zeit bei Rapid zu Ende geht. Es ist wieder
etwas Neues im Entstehen gewesen, und ich wollte dem einen oder anderen jungen
Spieler, wie Schöttel oder Pecl, nicht im Weg stehen. Zu Beginn meiner letzten
Saison war ich 33 Jahre alt und mir war von Anfang an klar, dass es mein letztes
Jahr bei Rapid sein würde. Unabhängig von der Platzierung, die am Ende der
Saison herausschauen würde. Trotzdem war der vierte Platz nach all den
erfolgreichen Jahren bitter. Als mein Abschied schon etwas länger feststand, war
noch überhaupt nicht abzusehen, dass der Hans Trainer bei Rapid werden würde.
Damit hatte es also auch nichts zu tun. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen,
dass sich Hans Krankl damals einen Heribert Weber in der Mannschaft gewünscht
hätte. Auch wenn ich das nur schwer beurteilen kann, weil es ja nie in Frage
gekommen ist. Ich habe ihm aber schon ein paarmal gesagt, dass, wenn er mich zum
Bleiben überredet hätte, Rapid Meister geworden wäre. Das war ja mit Fjörtoft,
Herzog und anderen Spielern eine gute Mannschaft! Seine Probleme hatte Hans mit
der Defensive. Aber wie auch immer! (lacht)
Nachdem Sie
bereits bei Rapid zweimal unter Otto Baric trainiert hatten, trafen Sie in
Salzburg wieder auf „Otto Maximale". War er der wichtigste Trainer Ihrer
Laufbahn?
Ich muss dazu sagen, dass ich Otto Baric nach einigen
Gesprächen mit Präsident Rudi Quehenberger nach Salzburg geholt und diese
Trainerfrage mitentschieden habe. Ich wusste einfach, dass er nach Salzburg
passt, der Mannschaft den letzten Kick Richtung Erfolg bringen würde. Die
Mannschaft war sehr talentiert, hat aber einen Trainer gebraucht, der ihr
vermittelt, dass sie Meister werden kann. Zweimal wurden wir Vizemeister,
punktgleich hinter der Austria. Aber letztlich hat es dann ja doch geklappt. Und
Otto Baric hatte einen großen Anteil daran. Seine große Stärke war, dass er
jedes einzelne Match sehr ernst genommen hat und jedem einzelnen Spieler das
Gefühl gegeben hat, dass er dazugehört.
Gibt es eine Anekdote,
die den kroatischen Star-Coach gut beschreibt?
Ich könnte hunderte
von ihm erzählen! Otto Baric war einer, der nie eine Ruhe gegeben hat. Er hat zu
allen Spielern und zu jedem Thema immer etwas zu sagen gewusst. Einerseits war
das gut, weil er ständig präsent war, andererseits hat er kaum ein Fettnäpfchen
ausgelassen. Einmal waren wir mit Rapid in Kuwait eingeladen und haben dort zwei
freundschaftliche Spiele gegen das kuwaitische Nationalteam bestritten. Trainer
war dort Miljan Miljanic, der auch Real Madrid, Valencia und das jugoslawische
Nationalteam betreut hat. Nach dem ersten Spiel, das wir gewonnen haben, ist
Baric zu mir gekommen und hat mich gebeten, dass ich die Spieler für ihn bis
halb elf Uhr einfangen soll, weil er eine Einladung im Haus seines Freundes
Miljanic habe. Ich habe seine Aufgabe natürlich übernommen. Am nächsten Morgen
beim Frühstück war er völlig zerstört. Ich habe nachgefragt, was los ist, und er
hat kopschüttelnd gesagt: „Weißt du, Heri, habe ich viele, große Bledsinn
gemacht. War ich in Wohnzimmer mit Milan, kommt Frau mit Tablett hinein. Sage
ich: ‚Ah, Milan, ist deine Mutter auch hier!‘ Aber Milan sagt: ‚Ist nicht meine
Mutter, ist meine Frau!‘" (lacht) Der Trainer hat weiter zu mir gesagt:
„Weißt du, Heri, war ganze Abend kaputt! Bin ich nicht lange geblieben." So war
er damals!
Mit Austria Salzburg erlebten Sie einen zweiten
Frühling. In Ihrer allerletzten Saison als Spieler 1993/94 schafften Sie dann
den ersten Meistertitel der Vereins-Geschichte und scheiterten
sensationellerweise erst im Finale des UEFA Cups. Die Krönung einer
sensationellen Karriere?
Ich habe von den Burschen verlangt, dass
wir uns besser verkaufen, als ich es neun Jahre zuvor mit Rapid erlebt hatte.
Und das ist uns tatsächlich gelungen, bloß hatten wir just in den Finalspielen
gegen Inter Mailand nicht mehr dieses Quentchen Glück, das uns bis dahin
begleitet hat. Und so sind wir als bessere Mannschaft nicht UEFA-Cup-Sieger
geworden. Wir waren in beiden Spielen über weite Strecken überlegen, haben uns
also nichts vorzuwerfen. Und das gegen eine Startruppe mit Zenga, Bergomi,
Berti, Sosa, Bergkamp und anderen Klassespielern. Mit ein wenig Glück hätten wir
die Sensation geschafft!
Der Lohn für Ihre „Landes-Treue" war und
ist der Rekord als Bundesliga-Spieler mit den meisten Einsätzen. Was waren die
ausschlaggebenden Gründe für diese Ausnahme-Leistung?
Als ich nach
Salzburg gegangen bin, war mein Plan, dass ich zwei Jahre dabei mithelfe, etwas
aufzubauen und mit der Mannschaft den Abstieg zu verhindern. Auf einmal war
dieser unglaubliche Höhenflug da, der für meine Motivation und meine Emotionen
Goldes wert war! Dass die Mannschaft Jahr für Jahr stärker geworden ist, mit mir
und durch mich, hat mich angespornt. Außerdem haben die Spieler auf mich gehört
und mir das Gefühl der Wertschätzung gegeben, das ein Führungsspieler braucht.
Erst so war es möglich, dass ich solange auf diesem hohen Niveau Fußball spielen
konnte. Wobei ich dann mit meinen 39 Jahren keinen Monat mehr länger hätte
spielen wollen!
Ehrlich – haben Sie Michael Baur in den letzten
Monaten seiner Karriere mitverfolgt, weil er Ihnen als einziger Spieler den
Rekord an Bundesliga-Einsätzen streitig hätte machen können?
Ich
sage immer, dass Rekorde dazu da sind, um irgendwann gebrochen zu werden.
Irgendwann wird einer daherkommen und diese Marke übertreffen. Dieser Mann wird
aber sehr gut auf sich schauen müssen und auch die Körper-Gene dazu haben
müssen, um so lange und fast verletzungsfrei spielen zu können. Und man darf die
Freude nicht verlieren! Bei mir war der Spaß so groß, am Platz zu stehen, dass
ich eigentlich nie aufgegeben habe.
Sind Sie ein wenig wehmütig,
weil Sie als Spieler nie ins Ausland gegangen sind? Es muss doch Angebote
gegeben haben!
Hat es auch! Es war damals aber wegen der
Legionärsbeschränkungen viel schwerer, bei einem richtig guten Verein
unterzukommen. Und nachdem ich mit Rapid auch international so erfolgreich war,
wären da wirklich nur mehr absolute Top-Vereine im Ausland für mich in Frage
gekommen. Von Anfragen habe ich immer erst im Nachhinein erfahren. Rapid wollte
mich nicht hergeben. Außerdem hat man damals, auch wenn der Vertrag gerade
ausgelaufen ist, noch immer dem Verein gehört. (lacht) Vielleicht haben
sie mich damals ja auch mit dem Hintergedanken zum Ehrenkapitän gemacht, dass
mir ein Abschied so noch schwerer fallen würde.
Und welche
Vereine hatten Interesse?
Monaco, Kaiserslautern, HSV, Verona und
sogar Real Madrid, nachdem wir gegen sie 1981 nur knapp ausgeschieden sind. Es
hat schon einige Anfragen gegeben, die allerdings immer abgeschmettert worden
sind. Ich habe davon immer erst erfahren, als es auch schon wieder vorbei war.
Mir war das damals völlig egal, weil ich mich bei Rapid so wohl gefühlt habe.
Heute muss ich sagen, dass die Wertschätzung jener österreichischen Spieler, die
bei einem großen Verein im Ausland gespielt haben, viel größer ist. Was ich
nicht ganz nachvollziehen kann, weil wir uns mit Rapid international mit jeder
Mannschaft messen haben können.
Im ÖFB-Team kamen Sie auf 68
Einsätze. Der letzte war aber kein freiwilliger Abschied, sondern passierte nach
einem Zerwürfnis mit Teamchef Josef Hickersberger. Sie hatten gerade in der
Türkei mit 0:3 verloren und das legendäre Spiel gegen die DDR wartete. In
Italien wären Sie als erster Österreicher auf eine dritte WM-Teilnahme gekommen.
War das die Revanche von „Hicke" dafür, dass Sie ihm als Spieler seinen Platz im
Nationalteam abluchsten?
Nein, ganz so war es nicht! Aber darüber,
dass ich deswegen nicht der erste Österreicher war, der bei drei
Weltmeisterschaften mit dabei war, denke ich auch erst jetzt im Nachhinein nach!
(lacht) Ich habe noch gemeinsam mit dem Pepi den ersten Meistertitel
mit Rapid geholt. Als Routinier hat er uns sehr helfen können. Privat habe ich
mit ihm immer ein super Verhältnis gehabt. Er hat mich damals, nachdem ich nach
meinem 50. Länderspiel meine Teamkarriere eigentlich schon beendet hatte, zum
Weitermachen überredet. In der speziellen Situation vor dem DDR-Spiel waren wir
beide, glaube ich, einfach zu stur. In der Türkei hat die ganze Mannschaft sehr
schlecht gespielt, auch ich. Eine Woche vor dem DDR-Match hatte ich dann eine
Zahnoperation und am Wochenende vor dem Spiel ganz leichtes Fieber. Daraufhin
wollte mich Pepi nicht einsetzen. Ich habe mich aber voll fit gefühlt und dem
Trainer auch gesagt, dass ich mit 34 Jahren selbst ganz genau weiß, ob ich
spielen kann oder nicht. Auf die Bank wollte ich mich nicht setzen lassen, weil
ich, wenn ich für die Reservebank fit genug war, auch gleich beginnen hätte
können. Das hat sich dann aufgeschaukelt und es ist zu keinem Gespräch mehr
darüber gekommen. Im Februar hat Pepi dann bekanntgegeben: „Nie mehr Weber unter
Hickersberger!" Schade, auch für ihn! Ich hätte der Mannschaft in Italien
vielleicht helfen können und Pepi das Färöer-Desaster ersparen können.
(lacht) Eigentlich sind wir beide nicht gut ausgestiegen! Ich habe
immer das Gefühl gehabt, dass wir uns sehr gut verstehen. Wobei ich das ja nur
von mir sagen kann! (lacht)
Nach Ihrem Trainer-Einstieg beim FC Puch betreuten Sie die U18 und
U19 des ÖFB und wechselten dann 1996 nach Salzburg. Die großen Stars
verabschiedeten sich, und Sie holten trotzdem den Meistertitel. Ausgerechnet im
Zweikampf mit Rapid. Hätten Sie sich damals gedacht, dass Sie eine knappe Saison
später auf der Rapid-Trainerbank sitzen würden?
Damals ist alles so
schnell gegangen, ist alles aus heiterem Himmel gekommen! Mit Salzburg war der
Nicht-Abstieg das vorgegebene Ziel. An den Meistertitel haben wir eigentlich nie
geglaubt. Das Team hat sich dann aber derart gut entwickelt und eine super
Atmosphäre geschaffen, dass Unglaubliches gelingen konnte. Für alle Spieler, die
damals mit dabei waren, war es das schönste Jahr ihrer Karriere! Es hat eine
Euphorie geherrscht, die mit Worten nicht wiederzugeben ist.
Bezüglich Rapid
hat es immer schon Gespräche gegeben. Ich konnte mir das natürlich sehr gut
vorstellen, auch weil der Dreijahres-Vertrag, den ich in Salzburg vorgelegt
bekommen habe, nicht meinen Vorstellungen entsprochen hat. Ich wollte mit Rapid
dann Großes erreichen, muss aber eingestehen, dass meine Vorhaben nicht gelungen
sind. Wenn man als Meistertrainer aus Salzburg geholt wird, dann erwartet man
sich logischerweise bei Rapid den Titel umso mehr. Auch die Fans waren auf mich
zornig, weil ich ihnen mit Salzburg gerade den ersten Platz weggenommen hatte.
Zweimal waren wir Zweiter, einmal Dritter. Auch wenn wir fast immer um die
Meisterschaft mitgespielt haben, hat es aus den verschiedensten Gründen nie
gereicht. Die anderen waren einfach immer ums Eutzerl stärker. Das hatte viele
Gründe. Dejan Savicevic beispielsweise war, wenn er gespielt hat,
Ausnahmeklasse, hat aber ein riesiges Loch hinterlassen, wenn er verletzt war.
Es war sehr problematisch, einen solchen Klassespieler zu haben, der aber nur 40
Prozent der Matches bestritten hat. Das Spiel gegen Sturm im Praterstadion ist
dafür ein gutes Beispiel: Als Dejan ausgeschieden ist, haben wir durch ihn 2:1
geführt. Aber auch ohne ihn sind wir dreimal alleine auf das Tor von
Schicklgruber gelaufen, nur wollte der Ball nicht ins Tor. Und im Gegenzug
bekommen wir in der 85. und 92. Minute zwei Tore… es hat halt nicht wollen
sein!
Ich sage immer: Wenn Du Meister werden willst, dann muss im Klub alles
funktionieren, vom Zeugwart bis zu den Spielern. Bei uns war aber die Stimmung
nicht so gut. Auch aus Gründen, die ich teilweise nicht verstanden habe.
Wie sehr hat Sie Sportdirektor Dokupil in dieser Zeit
sekkiert?
Für einen erfolgreichen Trainer, und das war Ernst
Dokupil, ist es sehr schwer, ins zweite Glied zurückzugehen. Das hat er auch nie
gemacht und seinen Einfluss weiter geltend gemacht. Die meisten Positionen im
Verein sind von ihm besetzt worden. Ich bin von einem Klub gekommen, bei dem ich
alles gemacht und sportlich entschieden habe. Bei Rapid war das anders, da wurde
Vieles von Ernst Dokupil bestimmt. Damals war ich als Trainer wahrscheinlich
noch nicht routiniert genug, um diese Situation besser zu bewältigen. Ob ich in
diesem Fall mit Rapid Meister geworden wäre, ist eine rein hypothetische Frage.
Das soll sich jetzt auch nicht gegen den Ernst richten, weil ich wieder sehr gut
mit ihm bin. Und auch damals war! Dass man sich mit jemandem privat sehr gut
versteht, bedeutet aber noch lange nicht, dass man auch beruflich
harmoniert.
Sie waren von 1983–88 durchgehend „Verteidiger der
Saison". Manche Leute haben gesagt, dass Rapid unter Ihrer Führung
dementsprechend defensiv und ergebnisorientiert gespielt hätte. Wie sehen Sie
das?
Als ich gekommen bin, war Rapid sehr schlecht. Sonst wäre ich
ja gar nicht geholt worden! Danach haben wir die meisten Matches gewonnen, oft
auch mit 1:0 oder 2:1. Ein Journalist, den ich gar nicht benennen will, hat
geschrieben: „Rapid gewinnt und keiner will es sehen!" Dabei musste ich die
Mannschaft stabilisieren und auf die Erfolgsspur zurückführen. Außerdem hat jede
Münze zwei Seiten. Ich war zwar ein sehr offensiver Libero, aber der
Mannschafts-Erfolg war mir immer am wichtigsten! Es ist nun einmal so – je
weniger Tore man kassiert, desto höher stehen die Chancen, dass man gewinnt.
Durch Siege, egal wie knapp sie sind, kommt erst das Selbstvertrauen. Und mit
dem Selbstvertrauen kommen dann auch gute Spiele. Aber ich gebe gerne zu, dass
ich nie ein einfacher Mensch war. Und wenn jemand unbedingt etwas Negatives bei
mir finden wollte, habe ich mich halt auch gewehrt.
(lacht)
In Ihrer Zeit als Rapid-Trainer hieß es in den
Medien immer wieder, dass Sie zum Lachen in den Keller gehen würden. Ich habe
vor ein paar Jahren mit einem ihrer Ex-Spieler gesprochen, der unter Ihnen den
Durchbruch nicht geschafft hat und dieses Gerücht trotzdem absolut verneint hat,
sich sogar sehr positiv über Sie äußerte. Ich kann diese These auch nicht
unterstützen. Wie ist er denn in Wirklichkeit, der Sportsmann Heribert
Weber?
Ich würde mich sehr freuen, wenn jeder so lustig wäre, wie
ich! (lacht) Im privaten Bereich wohlgemerkt. Viele Menschen bei uns im
Profifußball können nicht zwischen Privatem und Professionalismus trennen. Didi
Kühbauer zum Beispiel weiß das sehr wohl. Der Fußball hat, wie das Leben auch,
nicht immer nur gute Seiten. Professionalität war mir immer sehr wichtig, weil
ich den Fans nur das Bestmögliche bieten wollte. Wenn ich mit Rapid bei einem
1.-Klasse-Verein angetreten bin, dann habe ich gefordert, dass wir mit 10:0
gewinnen. Damit die Fans stolz darauf sein können, Rapid-Anhänger zu sein und
zum nächsten Heimspiel kommen. Diese Einstellung, die ich als Spieler und als
Trainer gehabt habe, hat nicht unbedingt jeder mit mir geteilt. Manche haben
gesagt: „Der ist deppert, nicht einmal bei den unwichtigen Spielen gibt er eine
Ruhe!" Mir hat das Spiel immer mehr Spaß gemacht, wenn wir viele Tore geschossen
haben. Andere haben nur gespielt, damit die Zeit vergeht.
Sie
haben einmal die Aussage getätigt, dass Rapid in Österreich so dominieren müsse,
wie Bayern in Deutschland. Warum war das in den letzten Jahrzehnten nicht der
Fall bzw. wie hätte es gehen können?
Man muss sagen, dass sich Rapid
in den letzten Jahren sehr gut entwickelt hat. Was mir aber fehlt, sind zwei,
drei Gönner, die dem Klub ein Budget bescheren, mit dem die Rapid-Tradition
leichter umsetzbar ist und man auch international besser mithalten kann. Man
spricht im Zusammenhang mit Rapid immer von einer Million Sympathisanten. Das
ist ja ein unglaubliches Potential, auch vom Finanziellen her! Ich verstehe
nicht, warum Rapid nicht noch mehr Unterstützung bekommt. Warum gelingt es
diesem großen Verein nicht, ein noch größeres Budget auf die Beine zu stellen?
Das ist keine Kritik, sondern nur die Frage eines Laien! Es muss doch mehr
Sponsoren geben, die bei diesem Verein mitmachen wollen! Rapid hat überall Fans,
nicht nur in Österreich, sondern weltweit! In den Achtzigern sind wir jeden
Winter auf Tournee gegangen, weil Rapid in der gesamten Fußballwelt einen
unglaublichen Namen gehabt hat. Ich bin ja kein Guru auf dem Gebiet der
Sponsoren, aber ich frage mich halt. Das Stadion ist fast immer voll und hat
eine einzigartige Atmosphäre, aber man schafft es nicht, einen Riesen-Sponsor
aufzustellen, der Rapid mehr ermöglicht…
Zuhause haben Sie ein
Dreimäderl-Haus, beruflich kommen Sie aus einer von Männern dominierten Welt.
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen diesen
Extremen?
(lacht) Sehr gut eigentlich! Ich habe mir immer
eine Tochter gewünscht – jetzt habe ich gleich zwei. Ich verstehe mich mit
beiden, auch mit dem Mann der einen und dem Freund der anderen, sehr gut. Die
Familie ist mir immer extrem wichtig gewesen! Als Ausgleich und zum Energie
tanken. Leider ist mein Schwiegervater, der Chef der Kern Buam,
kürzlich gestorben. Das Hotel „Kern Buam" führt jetzt meine Frau. Früher sind
wir mit Rapid bei Auswärtsspielen in Graz dort abgestiegen. Später mit Salzburg
auch. Das Verschmelzen meiner beruflichen Männerwelt und der privaten Frauenwelt
hat also immer ganz gut funktioniert! (lacht)
Wer aus
dem momentanen Admira-Kader würde Ihrer Meinung nach gut zu Rapid passen? Didi
Kühbauer hat in diesem Zusammenhang einmal Christopher Dibon
erwähnt.
Genau der Name wäre mir auch eingefallen! Ich habe keine
Zweifel, dass Dibon sofort auch bei Rapid spielen könnte. Von der Einstellung
her ist er für mich ein Ausnahme-Charakter. Und für sein Alter ist er ein
unglaublich guter Spieler. Wie er sich bei einem Spitzenverein tut, muss er erst
zeigen, aber er hat in jedem Fall alle Anlagen und Möglichkeiten. Seine Konstanz
ist beeindruckend! Ansonsten will ich namentlich gar niemanden nennen. Es gäbe
ein paar junge Spieler, aber bei denen sagt man lieber nichts, weil sie sonst
gleich weiß-Gott-was denken. (lacht) Da halte ich lieber noch den Mund
und schau mir ihre Entwicklung an.
Und welcher Rapid-Spieler,
abgesehen von Steffen Hofmann, gefällt Ihnen momentan besonders
gut?
Markus Heikkinen taugt mir einfach! Er ist ein sehr wichtiger
Bestandteil von Rapid. Darüber hinaus gefällt mir auch Veli Kavlak sehr gut. Er
hat im Vergleich zur letzten Saison noch einmal einen Sprung nach vorne gemacht.
Seine Entwicklung ist vielversprechend. Er ist noch lauffreudiger geworden und
fordert öfters den Ball.
Ich habe gelesen, dass Sie eine Vorliebe
für kulinarische Genüsse haben.Wie leben Sie Ihr „Leben als Feinschmecker"
aus?
Ich muss sagen, dass wir in der Süd- und Weststeiermark
großartige Weinbauern haben! Wenn das Wetter gut ist und die Sonne scheint, dann
bin ich schon wieder draußen. In einem Gastgarten zu sitzen und auf die
wunderschöne Landschaft zu schauen, dazu ein gutes Glaserl Wein und ein gutes
Essen – da kann man schon wunderbar abschalten!
Interview vom
04.11.2010
10 Fragen zum besseren Kennenlernen:
Ihre Lieblings-Elf aller Zeiten?
Ich könnte nicht einmal
eine Lieblings-Rapid-Mannschaft formen, weil es unfair gegenüber manchen
Spielern wäre. Jede Generation hat so viele großartige Kicker herausgebracht,
dass mir die Wahl zu schwer fällt. Weltweit bin ich diesbezüglich noch
überforderter. Wobei mich Manchester United seit meiner Kindheit begleitet. Und
die großartige Arbeit von Alex Ferguson beeindruckt mich schon sehr! Aber es
gibt auch andere Topklubs in Europa, die mir imponieren.
Das
beeindruckendste Stadion, in dem Sie je gespielt haben?
Ich habe im
Camp Nou zweimal das Juan-Gamper-Turnier gespielt, einmal vor 110.000 Menschen!
Damals hat Hans Krankl sein erstes Spiel für Barcelona gemacht. Aber ich habe
auch im Bernabeu, im San Siro, im Olympiastadion in Rom, im Old Trafford und im
Hampden Park gekickt. Da etwas herauszuheben, ist sehr
schwer!
Ihre größte Niederlage am Fußball-Platz?
Habe
ich alle verdrängt! Es hat sicher genügend gegeben, aber ich komme schon in ein
Alter, wo man das vergessen darf. (lacht)
Rapid ist...
... der interessanteste Verein Österreichs,
der am meisten polarisiert und die meisten Anhänger hat. Im Leben haben Dinge,
die sich in der Grauzone befinden, oft keine große Bedeutung. Bei Rapid ist es
so, dass dieser Klub ganz viel schwarz und ganz viel weiß provoziert. Das
gefällt mir!
Ihr Lieblings-Gericht?
Da gibt es so
viele, hunderte! Momentan bin ich auf rohe, marinierte Fische ganz narrisch! Ich
habe das erst kürzlich wieder in Italien gegessen –
großartig!
Ihr liebster Platz außerhalb von
Österreich?
(überlegt) Früher habe ich auch gerne
Fernreisen gemacht, in letzter Zeit eher weniger. Am ehesten fahre ich nach
Venedig. Ich liebe diese Stadt! Alles muss mit den Schiffen transportiert
werden, die Bauten, die Atmosphäre – sensationell!
Kottan
oder Columbo?
Kottan. (lacht) Aber
der mit dem Resetarits! Der Lukas ist früher öfters zu unseren Heimspielen
gekommen und danach haben wir sehr schöne Abende im VIP-Klub gehabt.
(lacht)
Eine Marotte?
Ich bin ein bisserl
wie der Monk! (lacht) Ich mag nichts Dreckiges, bin gerne selbst rein
und sauber. Alles muss auf seinem Platz stehen – das passt mir
gut!
Welches Talent hätten Sie gerne, haben es aber
nicht?
Ich war als Fußball-Profi mit soviel Talent vom lieben Gott
gesegnet, dass ich absolut zufrieden bin. Naja, Schlagersänger vielleicht. Aber
da braucht man ja auch sehr oft gar kein Talent!
(lacht)
Der beste Stürmer, gegen den Sie je gespielt
haben?
(bläst durch) Naja, ich hab‘ ja auch gegen den Hans
gespielt, als er bei der Vienna war. Den hast ja auch nie aus den Augen lassen
können! Obwohl er gegen mich kaum Tore geschossen hat. (lacht)
Ansonsten war es ja so, dass ich als Libero selten direkt gegen einen Stürmer
gespielt habe. Ich habe eher in Heimspielen Mann-gegen-Mann gespielt, damit wir
einen Spieler mehr für’s Mittelfeld haben. Trotzdem haben viele gute Stürmer
meine Wege gekreuzt, aber der Kenny Dalglish war für mich ein besonders guter
Angreifer. Wobei einem britische Stürmer gerne eine mit dem Ellenbogen
mitgegeben und dich dann ausgelacht haben. Yeboah, Santillana, Figo, Bergkamp –
es sind einfach zu viele!
Quelle: www.forza-rapid.at